Unfall beim Anbinden eines jungen Pferdes
Das sichere Anbinden ist eine der wichtigsten Maßnahmen im Umgang mit Pferden, bei deren Haltung und Pflege.
Junge Pferde müssen sorgfältig und sehr vorsichtig an das Anbinden gewöhnt werden. Andernfalls kann es zu dramatischen Zwischenfällen und schweren Unfällen kommen, in deren Folge die Pferde oft lange Zeit verunsichert und ängstlich auf Anbindeversuche reagieren.
Schon geringer Druck des Halfters im Genickbereich kann dann unvermittelt eine heftige Abwehrreaktion provozieren, die Pferde versuchen mit aller Kraft sich loszureißen.
Aber auch Pferde, die das Anbinden gewöhnt sind, können sich angebunden aus verschiedensten Gründen unvermittelt erschrecken und dabei auf den resultierenden Druck des Halfters arttypisch zunächst mit Gegendruck reagieren.
Wenn dann weder die Anbindevorrichtung nachgibt noch das Pferd, wird Panik ausgelöst. Das Pferd versucht heftig sich zu befreien und kann sich und andere dabei schwer verletzen.
Hängt sich ein Pferd mit voller Wucht ins Halfter, kann das zu Verletzungen im Bereich des Genicks und der Halswirbelsäule führen. Öffnet sich dabei plötzlich der Anbindehaken (z.B. Panikhaken) oder reißen Strick oder Halfter, so kann das Pferd ruckartig nach hinten auf den Sitzbeinbereich bzw. seitlich nach hinten auf den Rippen- und Hüfthöckerbereich stürzen oder sich rückwärts überschlagen und dabei natürlich insbesondere auch im Bereich der gesamten Kruppenpartie und/oder der Hintergliedmaßen erheblich verletzen.
Es kann zu Beckenfrakturen kommen.
Wenn Pferde sich z.B. gegen Betonwand, Pfeiler oder Selbsttränke überschlagen, können schwere Verletzungen des Genicks die Folge derartigen Gegenschlagens sein.
Für das sichere Anbinden ist daher unerlässlich, dass die Pferde gelernt haben auf Druck (Zug) des Halfters nachzugeben, anstatt- so wie es für Pferde typisch ist- mit Gegendruck zu reagieren.
Bevor man ein junges Pferd das erste Mal anbindet, muss es deshalb halfterführig sein und gelernt haben, auf Druck bzw. Zug am Führstrick nachzugeben und weich und leicht zu folgen.
Das Pferd sollte zudem gelernt haben, nach leichtem Antippen der Hinterhand einen Schritt nach vorne zu machen, so dass sich der Strick wieder lockert, wenn es nach hinten gezogen hat. Dieses Verhalten muss sorgfältig konditioniert werden.
Es ist selbstverständlich, dass gerade ein junges Pferd nicht unbeaufsichtigt angebunden stehen gelassen wird. Ebenso, dass das Anbinden nicht unnachgiebig erfolgt.
Einfacher Strick und Panikhaken sind als Anbindevorrichtung, insbesondere bei jungen Pferden ungeeignet.
Das Anbinden von Pferden an einem lang belassenen Strick ist besonders unfallträchtig. Die Pferde können dann zum einen an dem Strick knabbern und ihn dabei ins Maul nehmen, wobei er sich leicht im sog. Diastema, der Zahnlücke zwischen Schneide-und Backenzähnen verfangen und dadurch eine heftige Abwehrreaktion provozieren kann. Mögliche Folgen sind Maulschleimhautverletzungen bis hin zu Unterkieferfrakturen. Zum anderen können Pferde dann, wenn sie lang angebunden werden, mit dem Kopf/Hals leicht unter den Anbindestrick geraten und sich beim Versuch hochzukommen verfangen. Heftige Gegenreaktion ist die Folge, das Risiko von Genick- oder Halswirbelsäulenverletzungen dabei besonders hoch.
In vorliegendem Rechtsstreit ging es um ein junges Pferd, das durch seinen Besitzer aus einem Ausbildungsstall abgeholt worden war.
Im Heimatstall waren nach dem Abladen zunächst Schwellungen auf der Kruppe und an den Rippen festgestellt worden, acht Wochen später eine Fraktur an einem der Facettengelenke der Halswirbelsäule. Wie kam es dazu?
Frage war, worauf die Verletzungen es Pferdes zurückzuführen sind, vor allem ob die, acht Wochen nach dem Transport diagnostizierte Fraktur auf dem Hof des Beklagten, im Heimatstall bei der Klägerin oder auf dem Transport entstanden war.
Aus dem Gesamtzusammenhang und dem Verletzungsbild ergab sich hier mit hoher Wahrscheinlichkeit, dass die Verletzungen, auch die später erst diagnostizierte Fraktur im Bereich der Halswirbelsäule durch einen Sturz auf dem Hof des Beklagten verursacht war. Das Pferd hatte sich offenbar ins Halfter gehängt und überschlagen:
Frakturen und Luxationen im Bereich der Halswirbelsäule kommen insbesondere bei jungen Pferden vor und entstehen in der Regel durch starke Traumata.
Überschlagen, Sturz auf den Kopf oder die seitliche Halspartie, Stürze durch das Verfangen des Hinterbeins in Halfter oder Anbindestrick sowie Strangulation durch das Halfter bei Widersetzlichkeit sind häufige Ursachen.
Die Symptome sind abhängig von Lokalisation und Charakter der Fraktur oder Luxation. Bei Frakturen typisch sind infolge der Rückenmarkskompression die Ataxie (Störung der Bewegungskoordination) sowie der Torticollis (Schiefhals).
Die Pferde stehen mit gesenktem Kopf steif und mit starken Schmerzen. Dadurch kann ein Stauungsödem entstehen. Bei passivem Anheben des Halses verlieren die Pferde ihre Standfestigkeit und brechen zusammen.
Diese-vorliegend aufgetretene- Symptomatik kann bei Fissuren (Haarrissen) und auch bei Frakturen zunächst völlig fehlen und erst Stunden, Tage oder Wochen später auftreten, nämlich dann, wenn es nachträglich zu einer Verschiebung der Fragmente kommt. Insbesondere bei Frakturen der Gelenkfortsätze kann es erst nach längerer Zeit, wenn durch die Kallusbildung eine Kompression des Rückenmarks erfolgt, zu der typischen, vorliegend hochgradig erst fünf Wochen nach dem Rücktransport vom Hof des Beklagten in den Heimatstall der Klägerin aufgetretenen Symptomatik kommen.
In vorliegendem Fall war der Transport des Pferdes als Ursache für die, später diagnostizierte Fraktur am Facettengelenk auszuschließen.
Auch in Zusammenhang mit den bei der Ankunft des Pferdes im Heimatstall festgestellten Prellungen/Hämatomen im Kruppenbereich ergab sich mit hoher Wahrscheinlichkeit, dass ein Sturz des Pferdes auf dem Hof des Beklagten Ursache der Wochen später im Heimatstall radiologisch diagnostizierten Fraktur am Facettengelenk zwischen dem 5. und 6. Halswirbel war.