Tierärztliche Haftung – Operationsnarbe bei der Kaufuntersuchung übersehen
Sachverhalt:
Das streitgegenständliche Pferd war nach einer tierärztlichen Kaufuntersuchung als Springpferd gekauft und danach ca. ein Jahr turniersportlich eingesetzt worden.
Im Untersuchungsprotokoll war vermerkt, dass „auffällige Narben“ zum Zeitpunkt der Kaufuntersuchung nicht vorlagen.
Etwa ein Jahr später war den Käufern (Klägern) ein Atemgeräusch aufgefallen, das Pferd wurde endoskopiert.
Im Ergebnis war eine einseitige, erfolgreich operierte Kehlkopflähmung und eine Kehlkopfstenose (-verengung) als Ursache des typischen Atemgeräusches festgestellt worden.
Die Kehlkopfstenose war Folge einer unheilbaren, destruktiven Knorpelentzündung, wie sie auch nach Operationen am Kehlkopf auftreten kann.
Infolgedessen war die Einatmung des Pferdes behindert, bei Belastung entstand Atemnot.
Das Pferd war unbrauchbar.
Eine Rasur des Kehlkopfes machte die feine Narbe sichtbar.
Die Käufer verlangten Schadensersatz von dem Tierarzt, der die Operationsnarbe bei der Kaufuntersuchung übersehen hatte.
Bei der Beweisfrage ging es im Wesentlichen darum, ob der beklagte Tierarzt es grob fehlerhaft unterlassen hatte, die am Kehlkopf des Pferdes links befindliche 5 cm lange Operationsnarbe festzustellen.
„…Insbesondere die Verdickung links oben hätte Veranlassung zu näherer Untersuchung geben müssen“.
Die Frage wurde verneint.
Im Vordergrund der tierärztlichen Kaufuntersuchung steht die klinische Untersuchung. Dies gilt für die Durchführung, wie für die Befundung und Bewertung der Untersuchungsergebnisse.
Dabei dient die Allgemeinuntersuchung (Ziff. I. des Untersuchungsprotokolls) mit der Untersuchung auch der Haut und des Haarkleides dazu, sich einen Überblick über den Allgemein-, Ernährungs- und Pflegezustand des Pferdes zu verschaffen.
„Auffällige Narben“ werden vermerkt.
Bei einer Kaufuntersuchung wird auch am Unterbauch entlanggestrichen, so dass z.B. Koliknarben ertastet werden können.
Der Tierarzt ist jedoch kein Ermittler, vorberichtliche Angaben zu Operationen und Erkrankungen werden als solche protokolliert und können ggf. Auswirkungen auf Untersuchung und Befundung haben. Vorliegend war die Operation unbekannt, der Wallach war klinisch unauffällig, ein Atemgeräusch bestand nicht.
Die Tatsache, dass es zum (Kauf-)Untersuchungszeitpunkt keine auffälligen Narben gegeben haben dürfte, ergab sich hier nicht nur aus dem vorliegenden Foto der Narbe im rasierten Hautbereich zum Zeitpunkt der etwa ein Jahr später erfolgten Untersuchung, sondern auch aus der Tatsache, dass weder Narbe noch Verdickung, während der vielen Monate der täglichen Pflege und des Umgangs mit dem Pferd in der Sphäre des Klägers aufgefallen waren, sowie schließlich aus der Besichtigung des Pferdes anlässlich eines Ortstermins- die Narbe war weder sicht-noch fühlbar.
Auch bei der, ein Jahr nach der streitgegenständlichen Kaufuntersuchung durchgeführten Untersuchung war die Narbe nicht aufgefallen, vielmehr ergab sich der Verdacht auf die Kehlkopfoperation aus dem Vorbericht (Atemgeräusch) und der klinischen Untersuchung in Verbindung mit der Laryngoskopie, bei der die Operationsveränderungen festgestellt worden waren. Danach wurde rasiert und die zu erwartende Operationsnarbe sichtbar.
Die Verdickung hingegen resultierte ausweislich des tierärztlichen Berichts v. xx.xx.xxxx aus der, das Kehlkopflumen verengenden Zubildung, die zum Zeitpunkt der Kaufuntersuchung so nicht vorgelegen haben konnte.
Dagegen sprach sowohl der Charakter der endoskopisch befundeten Veränderung wie auch die Tatsache, dass das aus dieser Veränderung resultierende Atemgeräusch zum Zeitpunkt der Kaufuntersuchung und offenbar noch Monate danach käuferseitig nicht aufgefallen war.
Denn die Untersuchung in der Tierklinik war erst ca. ein Jahr nach der Ankaufuntersuchung, und zwar aufgrund von „Atemgeräusche wegen der Arbeit“ veranlasst worden, nachdem das Pferd zuvor monatelang reitsportlich genutzt worden und auch turniersportlich eingesetzt worden war.
D.h. noch ein Jahr nach der Ankaufuntersuchung musste das Pferd im Training und wettkampftauglich gewesen sein. Es kann noch nicht unter der beschriebenen Atemnot=Dyspnoe gelitten haben, die dem endoskopischen Befund v.xx.xx.xxxx zufolge offenbar erst durch eine zunehmend atemwegsverengende Zubildung hervorgerufen worden war.
In der Gesamtbetrachtung ergab sich aus den vorliegenden Unterlagen kein Hinweis darauf, dass eine äußerlich feststellbare Verdickung zum Zeitpunkt der tierärztlichen Kaufuntersuchung im Juli xxxx tatsächlich vorgelegen und der kaufuntersuchende Tierarzt eine Verdickung oder auffällige Narbe übersehen, sorgfaltswidrig untersucht oder befundet hatte.