Rückenprobleme oder Reiterprobleme
Veröffentlicht von Antje Rahn am
Rückenprobleme sind ein häufiger Anlass für Streitigkeiten nach den Pferdekauf.
Vorliegend waren Sachmangelansprüche durch die Käuferin/Klägerin gerichtlich geltend gemacht worden, begründet mit Rückenbeschwerden und dem Röntgenbefund “Kissing spines“.
Die Klägerin behauptete im Wesentlichen, dass das gekaufte Pferd bereits vor der Übergabe pathologische Symptome gezeigt habe, nämlich eine auffällige Schmerzhaftigkeit der Rückenmuskulatur. Tierärztliche Untersuchungen hätten ein „Kissing- spines- Syndrom“ ergeben.
Eine osteopathische Behandlung des Pferdes am Vortag des Verkaufes sei geeignet gewesen, die Schmerzhaftigkeit des Rückens infolge der kissing spines zu vertuschen.
Dies war Kern der Beweisfragen, die durch das Gutachten zu klären waren.
Das Pferd wurde vor Ort besichtigt, untersucht und durch die Klägerin vorgeritten.
Dabei ergab sich, dass zum Zeitpunkt der Besichtigung des Pferdes jedenfalls keinerlei Schmerzhaftigkeit vorlag. Im Gegenteil- beim satteln und vorreiten durch die Klägerin zeigte sich der Wallach außerordentlich gutmütig, geduldig und willig gegenüber seiner sehr unsicheren Reiterin, deren reiterliche Fähigkeiten noch ganz am Anfang standen.
Insgesamt ergab sich, dass jedenfalls zum Zeitpunkt der Besichtigung keinerlei Rückenschmerz oder irgendein anderes Problem des Pferdes vorlag.
Der Röntgenbefund „Kissing Spines“ lag vor.
Der Röntgenbefund „Kissing Spines“ ist jedoch nicht mit einem Kissing Spines-Syndrom (KSS) oder überhaupt mit Rückenbeschwerden gleichzusetzen.
Ein Syndrom ist ein Symptomenkomplex. Maßgebliches Symptom eines KS- Syndroms ist daher neben dem Röntgenbefund der Rückenschmerz- d.h. die konkreten Beschwerden, die Einschränkungen, die Leistungsminderung des betroffenen Pferdes.
Ob dieser Rückenschmerz mit dem Kissing-spines-Röntgenbefund zu tun hat, ist eine andere Frage.
Denn der Röntgenbefund KS (Kissing Spines) findet sich nicht nur häufig bei klinisch völlig unauffälligen Reitpferden, sondern auch bei Pferden, die gar nicht geritten werden, so z.B. bei Fahrpferden.
Mit Ausnahme extremer Röntgenbefunde, besteht kaum eine Korrelation zwischen dem KS- Röntgenbefund und der Ausprägung einer klinischen Symptomatik i.S. eines KS-Syndroms, d.h. Rückenbeschwerden.
Ob überhaupt ein aktiver Prozess vorliegt, ist anhand von Röntgenaufnahmen selten zu beurteilen.
Der Einfluss der Haltungsform, der Nutzungsart und insbesondere der Qualität der reiterlichen Arbeit mit dem Pferd auf dessen Rückengesundheit, dürfte hingegen kaum zu unterschätzen sein.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass röntgenologische Befunde an den Dornfortsätzen i.S. von Kissing Spines (sich berührende Dornfortsätze) häufig, auch bei klinisch gesunden Pferden vorkommen und umgekehrt bei rückenkranken Pferden nicht zwangsläufig der Röntgenbefund Kissing spines vorliegen und wenn vorliegend nicht ursächlich für einen tatsächlich bestehenden Rückenschmerz sein muss.
In aller Regel sind die Ursachen für Rückenbeschwerden komplex und im Einzelfall abzuklären.
Die häufigste und bedeutsamste Ursache für Rückenprobleme der Pferde ist schlechtes Reiten. Deutlich seltener sind knöcherne Veränderungen an der Wirbelsäule, noch seltener an den Dornfortsätzen die Ursache.
Der Röntgenbefund als solcher springt zwar ins Auge, impliziert jedoch als solches kein Kissing-Spines-Syndrom, d.h. keine klinisch relevante Rückenerkrankung.
Insgesamt ergab sich in der Sache aus der Gesamtheit der vorliegenden Informationen, einschließlich Videoauswertung, dass weder Rückenprobleme noch sonstige Probleme des Pferdes die Ursache der, durch die Klägerin/Käuferin wahrgenommenen, angeblichen Verhaltensauffälligkeiten des Pferdes waren.
Ursache waren nicht Schmerzen, sondern reiterliches Unvermögen und Unsicherheit.