Osteopathie, Longieren und Tierschutz
Um Missverständnissen vorzubeugen – es geht nachfolgend nicht um die Diskreditierung von Osteopathen.
Osteopathie ist bei Pferden ein, durch mehr oder weniger qualifizierte Anwender oft verwendeter Begriff. Durch Osteopathie kann aus verschiedenen Gründen grundsätzlich kein Schaden beim Pferd entstehen.
Der Nutzen der Anwendung osteopathischer Techniken beim Pferd soll hier dahinstehen.
Da jedermann sich Osteopath oder Physiotherapeut für Pferde nennen darf, ist die Sachkunde der jeweils Anwendenden höchst unterschiedlich.
Tierschutzrelevanz einer „osteopathischen“ Longiermethode
In vorliegendem Fall ging es um die Beurteilung der Tierschutzrelevanz einer Longiermethode, die osteopathischen Zwecken dienen sollte.
Ein Pferde-Physiotherapeut hatte sich zur Beseitigung angeblich vorliegender Blockaden im Halsbereich eines Pferdes eine spezielle Methode des Longierens überlegt.
Aus einem Lehrbuch der Osteopathie hatte er eine Manipulationstechnik übernommen, die er jedoch nicht im Stand, sondern in der Bewegung an der Loge angewendet hatte.
Dazu war der Hals des Pferdes extrem zu einer Seite abgebogen fixiert, das streitgegenständliche Pferd in dieser Haltung in Trab gesetzt und longiert worden.
Sachverständig zu beurteilen war die Frage, ob diese Methode tierschutzrelevant war und dem Pferd dadurch nicht unerheblich Leiden und Schmerzen ohne vernünftigen Grund zugefügt worden waren.
Tierschutz ein hochsensibles Thema
Tierschutz ist ein hochsensibles Thema, bei dem insbesondere Fachunkundige auch über das Ziel hinausschießen können, auch bewusst rufschädigend agiert werden kann.
Eine für alle Beteiligten nachvollziehbare, im Ergebnis verständliche Beurteilung ist daher von besonderer Bedeutung,
Der Begriff „Leiden“ beschreibt einen Zustand von Unbehagen oder Stress, der nicht unbedingt schmerzhaft sein muss, aber das Wohlbefinden des Tieres erheblich beeinträchtigt.
Besonders schwerwiegend ist länger anhaltendes Leiden.
Longieren mit abgebogenem Hals
Die vorliegenden Videos zeigten Sekundensequenzen. Zu erkennen war, dass durch einen vom Gebiss über einen durch einen Ring des Longiergurtes zum Schweif geführten Zügel Kopf und Hals des Pferdes extrem nach innen fixiert wurden.
Der Wallach musste mit extrem nach innen abgebogenem Hals traben, mit der Folge, dass es bei der diagonalen Fußfolge der Trabbewegung zu unangenehmen Stauchungen der Bandscheiben und der Gelenke im Bereich der Halswirbelsäule kommen musste.
Das Pferd besitzt sieben Halswirbel. Neben den großen, mit einer stoßdämpfenden Bandscheibe ausgestatteten Gelenken haben diese Wirbel Gelenkfortsätze, die weitere Gelenke bilden-die sog. Facettengelenke. Die Facettengelenke sind maßgeblich für die Beweglichkeit der Halswirbelsäule.
Im Stand ist langsames, auch deutliches Abbiegen des Halses kein Problem, weil es über die anatomischen Grenzen und Bewegungsspielräume hinaus nicht ohne weiteres möglich ist bzw. das Pferd dann umfällt.
Stauchung der Facettengelenke
Wenn ein Pferd mit derart abgebogen fixiertem Hals jedoch gezwungen wird, zu traben, ist besonders die zwangsläufige Stauchung der Facettengelenke der inneren Halsseite hochproblematisch.
Die Trabbewegung in derart unnatürlich abgebogen fixierter Haltung ist für die Tiere irritierend und höchst unangenehm, möglicherweise schmerzhaft, weil es zu Stauchungen der Facettengelenke im inneren, quasi abgeknickten Halsbereich kommt. In den zusammengeschobenen Facettengelenken kann dies entzündliche Reaktionen provozieren und arthrotische Veränderungen induzieren.
Bei der Trabbewegung eines Pferdes mit derart extremer abgebogenem Hals wird der natürliche Bewegungsablauf von hinten über den Rücken nach vorn blockiert.
Die Bewegung bleibt stecken, jeder Trabtritt staucht die Gelenke im hohlen, inneren (der Longenführerin zugewandten) Bereich der Halswirbelsäule.
Da das Pferd sich dem nicht entziehen kann, entstehen Unbehagen, Verunsicherung und Stress.
Wie lange das Pferd in dieser Weise bewegt wurde, blieb vorliegend unbekannt.
Tierschutzrelevanz
Subjektiver Zweck dieses Longierens in unphysiologisch fixierter Haltung war jedoch offenbar nicht, dem Pferd in irgendeiner Weise Leiden oder Schmerzen zuzufügen.
Der osteopathische Therapeut hatte die Behandlungsmaßnahme einem Buch über strukturelle Osteopathie beim Pferd entnommen. Die Maßnahme sollte angebliche „Blockaden“ des Wallachs lösen.
Leider war die Anwendung dieser Technik in der Bewegung an der Longe nicht nur ungeeignet Blockaden zu lösen, sondern geeignet, dem Pferd Schmerzen und Leiden zuzufügen, somit tierschutzrelevant.
Fazit:
Die Anwendung osteopathischer Techniken bei Pferden kann im Stand jedenfalls nicht schaden.
Pferde in abnorm fixierter Haltung zu longieren jedoch, widerspricht nicht nur osteopathischen Grundsätzen, sondern ist tierschutzrelevant.